Andacht zur Jahreslosung 2021 |
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Text zum Nachlesen
Es ist der dritte September 2020, spätabends um 23.Uhr. Neun Monate liegen hinter uns. Und nun liegen wir da. Erschöpft, aber überglücklich zu dritt in unserem Zimmer.
Das Kind liegt in unseren Armen. Die Geburt ohne besondere Komplikationen. Unfassbare Freude und Staunen. Das ist das Wunder in dieser verrückten Zeit.
Einige Tage später machen wir Erinnerungsfotos – die Fotografin erkennt es als erste – „ganz der Vater“, sagt sie. Noch oft werde ich diesen Satz hören.
Und ich weiß, dass er nicht bei allen Menschen positive Erinnerungen weckt.
Ganz der Vater. Und ich denke bei mir – wie wird dieses Kind einmal?
Das nichts von all dem weiß, was im letzten Jahr passiert ist. So wie wir, nichts ahnend von dem, was kommen wird. Und schon so sein soll, wie sein wundervoller Vater.
Dieses, so wie alle Kinder dieser Welt hineingeworfen in das Chaos, indem Gott mitten unter uns ist. Das haben wir Weihnachten gefeiert.
Gott ist in Bewegung. Zu uns. Immer.
Die Jahreslosung für dieses Jahr 2021 spricht von Gott,
als einem, der sich bewegt, damit wir uns bewegen.
Werdet barmherzig, sowie euer Vater barmherzig ist.“ (Lukas 6,36 Gute Nachricht Bibel)
Das Wort Barmherzigkeit findet sich in der Bibel so häufig wie kein anderes Wort. Und es ist nicht einfach eine nette Beigabe zu den vielen Wörtern der Bibel, sondern einer der zentralen Begriffe – ich würde sagen das Herzstück.
Darin ist das Wesen Gottes beschrieben. So ist Gott und nicht anders. Ganz Gott.
Und die hebräische Bibel versteht die Barmherzigkeit Gottes als das „Sich erbarmen“ und meint damit die Bewegung der Gebärmutter während der Geburt des Kindes. Der jüdische Glaube versteht Gott als den, der spürbar mit dem ganzen Körper erlebbar ist und damit das Leben verändert. Das ist das Wunder.
In einem Kind macht Gott sich greifbar, ja angreifbar in dieser Welt.
In dieser Welt, die immer wieder aus den Fugen gerät.
Besonders im vergangenen Jahr.
Wie wird es aussehen im nächsten Jahr?
Das mit den Wundern ist ja eine komplizierte Sache.
Der Vers der Jahreslosung meint vielmehr: Wir können Wunder bewirken.
Werdet barmherzig wie Gott. Bewegt euch auf dieses Ziel hin. Fangt klein an. Immer und immer wieder. Lebt Barmherzigkeit. Und das geht so:
Seid barmherzig, denn euer Vater im Himmel ist es auch. Schaut euch um und seht, dass ihr einander braucht. Seine Liebe macht die Gedanken und Herzen wieder weit. Das ist das Wunder der Barmherzigkeit.“ (Lied des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg zur Jahreslosung 2021, Text (zu Lukas 6,36) und Musik: Gottfried Heinzmann, Hans-Joachim Eißler zu finden unter:
https://jahreslosung.net/wp-content/uploads/2020/12/Das-ist-das-Wunder_JL-2021_EJW_Chor.pdf
Einander brauchen. Ja, das tun wir. Immer und besonders im kommenden Jahr.
Ich wünsche mir, dass wir Barmherzigkeit leben,
Ganz der Vater ist er Mensch geworden. In dieser Welt.
Und tritt ein gegen das Unbarmherzige, Kantige, Harte.
und keine Stimme haben. Ausgrenzung erfahren.
Ich denke an die Alleinerziehende, die wegen der Coronakrise um ihren Job fürchtet.
Die Eheleute, die nicht mehr miteinander reden.
Die Geflüchteten auf Lesbos und in allen Ländern dieser Welt.
Um Gottes Willen – werdet barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.
Ich wünsche Ihnen und Euch ein gesegnetes neues Jahr 2021.
Ihre Pfarrerin
Mirjam Domke