Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu retten, aber Schaden zu nehmen an seiner Seele.
Markus 8,36
Liebe Gemeinde!
Drei Männer beschlossen, ihr Heil zu suchen. Einer setzte sich zum Ziel, unter den Streitenden Frieden zu stiften. Der Zweite entschloss sich, den Kranken bei ihrer Genesung zu helfen. Der Dritte aber suchte die Einsamkeit auf, um die Stille zu ergründen.
Der Erste gab sich alle nur erdenkliche Mühe, die Streitigkeiten der Menschen zu schlichten. Doch schon bald musste er sich geschlagen geben. Es war viel mehr Streit zwischen den Menschen, als er gedacht hatte. So beschloss er, den Zweiten zu suchen. Der war aber ebenso ermattet und sah sich auch außer Stande, sein Vorhaben zu vollenden. „Es ist viel mehr Krankheit, als ich je lindern werde!", meinte er traurig. Da beschlossen die beiden, zu dem Dritten zu gehen und ihn in seiner
Einsamkeit und Stille aufzusuchen. Sie erzählten ihm von ihren Misserfolgen. „Was hast du denn erreicht?", fragten sie ihn. Er holte eine große Schale und stellte sie zwischen den Friedensstifter und den, der sich den Kranken gewidmet hatte, und goss Wasser in die Schale. Und sie sahen, wie das Licht vom Wasser unruhig in viele Richtungen gespiegelt wurde. Nach einiger Zeit aber wurde das Wasser ruhiger. Und als sie schließlich in der stillen Wasserfläche ihre Gesichter spiegeln konnten, da sprach der Dritte: „So geht es uns, im Wirbel der Unruhe sehen wir viele Lichter und Bilder, aber wenn wir stille werden, dann bekommen wir uns selber zu Gesicht."
Aus: Der Tag hat sich geneiget, Andachten zum Abend, H. Kiene, Hamburg 2002
Drei Männer auf der Suche nach Heil. Für den einen beginnt die Suche als Friedenstifter und für den anderen als Krankenpfleger. Der Dritte beginnt seine Suche in der Einsamkeit. Zwei suchen das Heil im Engagement für andere, einer sucht das Heil in der Stille. Der erste und zweite setzen sich für Frieden und Mitmenschmenschlichkeit in der Welt ein und scheitern; der dritte zieht sich aus der Welt zurück und findet das Heil.
Weshalb scheitern die beiden? Sie sind entschlossen, motiviert und voller Tatendrang. Was lässt sie resignieren? Der Anspruch, jede Streitigkeit zu schlichten und jedem Kranken zu helfen? Stellt letzteres nicht eine Überforderung dar? Führt diese Hingabe nicht zwangsläufig zur Selbstaufgabe?
Die Suche nach Heil führt die zwei gescheiterten Männer zum Dritten, der Sie beide zu einer Schale mit Wasser führt. Beide kommen zur Ruhe, so wie das Wasser nach einiger Zeit zur Ruhe kommt. Und dann hören Sie den Dritten sagen: So geht es uns, im Wirbel der Unruhe sehen wir viele Lichter und Bilder, aber in der Stille erkennen wir uns selbst.
Die Stille ermöglicht eine Begegnung zwischen mir und Gott. Ich komme zur Ruhe und erkenne: ich brauche Ruhe von meiner Arbeit, ich brauche Momente der Stille, um aufzutanken. Erst wenn ich achtsam mir gegenüber und meiner Seele bin, bin ich auf den richtigen Weg. Das Heil hängt nicht am Erfolg oder an der Vielzahl meiner guten Taten. Mit Gott komme ich zur Ruhe. Sie nimmt mir die Last, die mich manchmal zu erdrücken droht. Sie stärkt mich auf meinem Lebensweg und gibt meiner Seele Nahrung, die Zeiten der Dürre zu überstehen,
Ihr
Pfarrer Frank Füting