„Raus mit der Sprache!“

 

Vor Kurzem erkundigte ich mich bei meinem Sohn nach einer schweren Mathearbeit, die er zurückbekommen hatte. Er druckste herum. Schaute verlegen auf den Boden. Da nahm ich ihn fest in den Arm. Es dauerte nicht lange, da sprudelte es aus ihm heraus. Erst einmal spüren, dass man zueinander gehört. Erst einmal umarmen! Dann kann man auch über alles reden.

Das erfährt auch der sog. „verlorenen Sohn“ im Gleichnis Jesu. Da heißt es im 15. Kapitel: „Als der Sohn aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief ihm entgegen und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ (Lukas 15,20). Als der Sohn in Vaters Armen liegt und spürt: Es ist wieder alles gut!da sprudelt es auch aus ihm heraus: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ (Lukas 15,21) Erst als er die Umarmung des Vaters spürt, kann er loswerden, was er sagen wollte. Das tut ihm gut. Vorher hat er sich das nicht vorstellen können, aus Angst vor dem Auspacken. Jetzt in Vaters Armen spürt er aber: Hier kann ich mich öffnen. Eine Erfahrung, die er mit den vielen Menschen vor und nach ihm teilt.

Auch wir können uns nur bei Menschen öffnen, denen wir vertrauen. Und wir alle wissen: es tut einfach gut, sich auszusprechen. In unserer Kirche gibt es dafür sogar einen Namen: Beichte. Keine Angst, jetzt wird es nicht katholisch! Wer Beichte nur mit Beichtstuhl, auf Knien rutschen oder tristen Novembertagen in Verbindung bringt, der hat ein falsches Verständnis von der Beichte. Martin Luther hat die Beichte immer sehr geschätzt. Beichte ist für mich Gottes Einladung, seine Güte und Vergebung zu spüren. Beichte heißt: Ich spreche mich in einem einfach mal aus. Und dies tue ich in einem angstfreien Raum. Beichte bedeutet: Ich rede mir mal alles von der Seele. Für den sog. „verlorenen Sohn“ aus unserem Gleichnis wurde Gottes Güte und Vergebung zu einer lebendigen Erfahrung, die wieder Lebensfreude in ihn einkehren ließ.

Darum: wer den Eindruck hat, sich mal aussprechen zu müssen, der wende sich an einen guten Freund, ein anderes Gemeindemitglied oder eben an einen Pfarrer seines Vertrauens, bei dem das vom Gesetz anerkannte Beichtgeheimnis gilt. Sich mal auszusprechen kann helfen, wieder Lebensfreude zu spüren. Gott gönnt uns diese Lebensfreude. Das große Fest am Ende unsere berühmte Geschichte ist ein Bild dafür (Lukas 15,24ff). Als der Sohn zu Hause ist, macht der Vater ein Fass auf; ein Fest wird gefeiert. Die Beichte des Sohnes war eine wichtige Station auf dem Weg dorthin, zurück zur Lebensfreude. Gott gönnt uns diese Lebensfreude. Auch Ihnen. Also: raus mit der Sprache!

 

Ihr Pfarrer Mario Huhn