Bild Sep 2016
Meide das Böse und tu das Gute;
suche Frieden und jage ihm nach!

Psalm 34,15



Liebe Gemeinde,

wenn ich in Urlaub bin, in andere Orte komme, dann führt mich mein Weg sehr häufig auch in die dortigen Kirchen.

Im August war ich in Nordfrankreich und habe dort zahlreiche katholische Kirchen besucht. Oft waren es sehr alte Gebäude, reich an Tradition und kunstvoller Ausgestaltung.

Mein Blick wandert in den Kirchen gerade auch zu den Zeichen aus der Gegenwart: Was bewegt die Gemeinde dort heute?

Beauvais liegt im Norden Frankreichs. In Nordfrankreich haben verlustreiche Schlachten des ersten Weltkrieges stattgefunden. Es gibt große Soldatenfriedhöfe und Gedenkstätten für die vielen Opfer des Krieges. Der Große Krieg, wie der Erste Weltkrieg im Französischen genannt wird, dauerte von 1914 bis 1918, er liegt 100 Jahre zurück, doch in vielfacher Hinsicht werden uns die Geschehnisse von damals heute ins Bewusstsein gerufen.

In Beauvais gibt es eine große gotische Kathedrale, St. Pierre. Sie sollte das größte Kirchengebäude der Christenheit werden, blieb aber unvollendet. In einer kleinen Kapelle in der Kathedrale ist gegenwärtig eine besondere Ausstellung zu sehen.

Es handelt sich um eindrucksvolle wie erschütternde künstlerische Arbeiten von Kindern, in denen sie sich mit dem Thema „Krieg“ auseinandergesetzt haben. Die Kinder haben aus Pappmaschee ein großes Schlachtfeld gestaltet; kleine modellierte, graue Figuren – vollkommen gleich aussehend – liegen darauf verteilt, die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges darstellend. An den Wänden sind biblische Worte zum Frieden zu lesen, Kollagen, die das Leid des Krieges zeigen, sind zu sehen, ebenso wie Bilder und Texte, die von Wegen zur Versöhnung handeln.

Das Leitwort der kirchlichen Aktion lautet „Sich für den Frieden vereinigen“. Mehrsprachig hängt es in großen selbstgestalteten Bannern über der Ausstellung zum hundertjährigen Gedenken des Ersten Weltkrieges. Zahlreiche Kerzen sind in der Kapelle entzündet.

Auch in der Normandie gibt es vielfältige Zeugnisse heutiger Friedensarbeit der Kirche. An der Perlmuttküste liegen die Strandabschnitte, an denen im Juni 1944 die Landung der Alliierten stattfand. Sie war kriegsentscheidend für den Sieg über das NS-Regime und die Befreiung von der Naziherrschaft.

Die Strände sind unter ihren englischen Code-Namen wie Gold Beach oder Omaha Beach bekannt. Vielerorts sieht man Bunker und Gefechtsstände der deutschen Verteidigungsanlagen, Reste der von den Alliierten angelegten Häfen, und auch hier gibt es große Soldatenfriedhöfe und Gedenkstätten. Viele der Menschen, die heute in diese Region kommen, waren selbst an den Kämpfen 1944 beteiligt oder kommen als Hinterbliebene.

Gut 15 km landeinwärts liegt die Kleinstadt Bayeux, 1944 die erste befreite Stadt Frankreichs. Die fast 1000 Jahre alte Kathedrale Notre-Dame prägt das Stadtbild. Seit 2014 erklingt eine neue Glocke in Bayeux: Eine Friedensglocke, die anlässlich des 70jährigen Gedenkens der Landung in der Normandie gegossen wurde, auch mit Mitteln der Katholischen Kirche in Deutschland. Sie hat neun Paten, deren Namen auf der Glocke stehen: Neben der englischen Königin Elisabeth II. sind dies sieben Jugendliche aus den Ländern der Alliierten und eines Jugendlichen aus Arnsberg als Vertreter Deutschlands. Die Glocke stellt die Freundschaft zwischen den Völkern dar und die damit verbundenen Werte Frieden, Freiheit und Versöhnung.

Zahllose Kerzen brennen auch hier in der kleinen Seitenkapelle der Kathedrale, in der über die Friedensglocke informiert wird.

In der Kathedrale von Rouen in der Normandie haben rund 2000 Menschen am 2. August dieses Jahres in einem Trauergottesdienst von Jacques Hamel Abschied genommen. Der 85jährige katholische Priester war eine Woche zuvor von zwei islamistischen Gewalttätern in seiner Kirche in der Nähe von Rouen getötet worden.

Der muslimische Kultusrat in Frankreich hatte zur Solidarität mit den Christen aufgerufen; zahlreiche Menschen muslimischen Glaubens und jüdischen Glaubens haben an der Trauerfeier teilgenommen.

Im Eingangsbereich der Kathedrale steht heute ein Gemälde eines muslimischen Malers, auf dem Jacques Hamel dargestellt ist.

In seiner Trauerpredigt hatte der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun, jegliche Gewalt verurteilt und Christen, Muslime und Juden zur Einheit aufgerufen. Sein Aufruf, gerade an junge Menschen, angesichts der Gewalt nicht aufzugeben und „die Zivilisation der Liebe“ zu verbreiten, ist in Frankreich auf große, positive Resonanz gestoßen.
Eindrücklich hat er zum Dialog aufgerufen: Der Dialog sei die Haltung Jesu und müsse auch zu unserer Grundhaltung werden.
Lebrun bat, man möge in den nächsten Tage als Würdigung von Jacques Hamel eine Kirche besuchen und dort eine Kerze anzünden, als Zeichen des Glaubens an die Auferstehung und des Gebets, dass die Gewalt nicht die Oberhand im eigenen Herzen gewinne.
So ist es vielerorts geschehen.
Foto einfügen, falls möglich
Das Friedenszeugnis und -engagement der katholischen Kirche in Frankreich ist beeindruckend – es möge reiche Frucht bringen.

Beste Wünsche auch Ihnen,

Ihre Elga Zachau

Bild Sep 2016
Kirche Saint Michel in Pont-l‘Évêque