Bild Mai

Den Stummen eine Lobby!



Liebe Leserin. Lieber Leser.

Wieder einmal läuft alles verkehrt. Empörung baut sich auf. Unmut macht sich breit.

Dann: Ein erster Aufschrei. Ein Protestschrei!

Das kennen wir! Das können wir eigentlich alle.

Gegen etwas aufbegehren, uns lautstark aufregen, weil etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte. Jede und jeder von uns merkt meist sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt.

Zum Glück können wir dann unsere Stimme erheben, laut werden – lautstark protestieren eben.

Dass dieses Sich-Äußern seine Berechtigung hat, weil es dabei darum geht, das Bestmögliche für alle zu erreichen, davon spricht der Monatsspruch Mai:

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

In diesem Vers aus dem Buch der Sprüche werden wir allerdings dazu aufgefordert, nicht für uns selbst, sondern für andere unsere Stimme zu erheben - für die Stummen und die Schwachen nämlich.

Wir sollen unseren Mund für die öffnen, die selbst keine Stimme (mehr) haben.

Das können Asylbewerber bei uns sein, deren lautes Rufen nach einer Chance oft ungehört verhallt.

Das können auch Hungernde sein, die zu schwach sind, um überhaupt noch etwas zu tun, geschweige denn viele Worte zu machen.

Ebenso wie die freiwillig hungernden Häftlinge in Guantanamo, die erwiesenermaßen unschuldig ihr Leben dort im Gefängnis verbringen müssen, weil kein Land bereit ist, sie aufzunehmen.

Das können Kinder sein, die misshandelt, missbraucht, missachtet werden. Auch die noch ungeborenen Kinder bedürfen unserer Stimme.

Für sie alle können und sollen wir unseren Mund öffnen, sind wir aufgerufenen, Fürsprache zu halten, ihnen eine Stimme zu geben, eben den als stumm Erscheinenden eine Lobby zu schaffen.

Aber es gibt noch eine andere Art der Sprachlosigkeit.

Dann nämlich, wenn einfach Worte fehlen, weil Gefühle übermächtig geworden sind, so, dass man nur noch schweigen kann. Man ist im wahrsten Sinne des Wortes Sprach-los oder um es mit einer Liedzeile von Tim Benzko zu sagen:

„Mir fehl´n die Worte, ich hab die Worte nicht, Dir zu sagen, was ich fühl´.“

Es kann passieren, dass Menschen in eine Lage kommen, die sie ihrer Sprache beraubt.

Nach einer schlimmen Diagnose beispielsweise, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes, der Heimat oder eines lieben Menschen.

Dann hoffe ich und wünsche ich Ihnen, dass in solchen Momenten Menschen an Ihrer Seite sind, die sehen und erahnen, was in Ihnen vorgeht.

Menschen, die Ihnen gute und hilfreiche Worte zusprechen. Bereits ganz wenige Worte können dann unvorstellbar wichtig werden. Wie beispielsweise: Ich bin da.

Wie viel steckt doch in diesen Worten:

Ich stehe Dir bei. Ich halte mit Dir aus. Ich bin für Dich da. Ich versuche, Dir dabei zu helfen, auszudrücken, was Dich sprachlos macht. Ich schweige mit Dir, wo es keine Worte gibt, aber ich reiche Dir meine Hand und bleibe bei Dir.

Wo andere nicht mehr in der Lage sind, sich zu äußern, für ihr Recht einzutreten, sei es aufgrund einer äußeren Lage, sei es aufgrund eines Erlebnisses, das sprachlos macht, ist es an uns, Fürsprecher zu sein, Fürsprache zu halten und auch im Gebet fürbittend für diese Menschen da zu sein.

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Ich wünsche Ihnen einen frohen und gesegneten Monat Mai.

Vikarin Schmidt